Der Name

von Josef Karlmann Brechenmacher, Oberstudiendirektor,Stuttgart

1. Die Geschichte des Namens

 

Wie der Name Konzelmann entstanden ist.


Jeder Konzelmann hat einen Konz zur Vor aussetzung, der sich zu kosendem Konzelin erweitert und durch das schließlich aufgesetzte -mann eine Form erhält, die einerseits dem Gewicht eines alten Vollnamens entspricht, andererseits jenen stimmungsvollen Duft entbindet, der über allen ursprünglich nur für den intimen Familiengebrauch geformten Namen schwebt. Alle diese auf-mann ausgehenden schwäbischen Namen waren nämlich zuerst auf der Lippe einer treusorgenden, liebeatmenden Mutter, also die Heinzel-mann, Dietelmann, Fritzemann, Ottemann, Lutzmann, Götzmann usw., und es ist, wenn man sich die Dorfgemeinschaft als eine große Familie vorstellt, leicht zu begreifen, daß so eine Kinderstubenform auch an dem Jüngling und Mann hängen bleibt. Denn Konz ist sozusagen nur das kleinere Format des Konrad und war als Chuonizo schon im Munde der alten Deutschen.
Man könnte die Frage aufwerfen, welche Kräfte den ungeheuren Auftrieb des seit dem 8. Jahrhundert nachweisbaren Mannsnamens Kuonrat veranlasst haben; denn dass dieser Vorname schon lange vor dem Auftreten der Sippennamen zu den verbreitesten und beliebtesten gehört, lehren die Zeugenlisten zahlloser Urkunden. Bei uns in Schwaben sind es in erster Linie hagiologische Gesichtspunkte, die dem Namen Kuonrat ein so gewaltiges Übergewicht verschafft haben: alle Hauptgebiete der heutigen Conzelmann gehörten zur Diözese Konstanz, wo der hl. Konrad, der wundertätige Bischof von Konstanz (gestorben 975), der Hauptheilige war. Im ganzen Schwaben hatte er unzählige Heiligtümer, und so ist es nicht verwunderlich, dass auf schwäbischem Boden zur Zeit der Sippennamengebung Konrad schlechthin der verbreiteste Vorname war. Alle die Kurzformen dieses Namens, die auf der Höhe des Mittelalters vorhanden waren, sind zu Sippennamen geworden: Kühn, Cohn, Künzle, Kienzel, Kienzle, Kainz, Kunzi, Kunzmann usw. In zweiter Linie sind es dynastische Einflüsse, die dem Namen ein starkes Echo auch im Volke verschaffen: zahlreiche weltliche und geistliche Herren, Fürsten, Könige und Kaiser trugen den Namen Konrad. Auch die älteste genealogische Schicht des württembergischen Fürstenhauses hat mehrfach den Namen Konrad. Bevor indes hagiologische oder dynastische Einflüsse wirksam werden konnten, war es der schon oben berührte Weltanschauungsgehalt des Namens, der ihn wie einen Stern emporsteigen und so nachhaltiges Licht verbreiten ließ. In dem ersten Namenglied steckt nämlich nicht nur unser heutiges »kühn«, sondern der ganze Komplex der germanischen Mannestugenden: das lehren uns die lateinischen Übersetzungen von ahd. kuoni, nämlich audax (verwegen), fortis (stark, männlich, tapfer, mächtig) bellicosus (kriegerisch, streitbar, »Antwort mit der Waffe erteilend«), asper (unbändig), acer (scharf, heftig, behend, listig). So schließt ja auch das zweite Namenglied »rät« nicht nur die Fähigkeiten klugen Ratgebens in sich, sondern auch die Begriffe »Überlegung, Entschluß, Vorsorge«, ferner die Kunst des Entbehren-könnens und die Kraft, rechtzeitig von Schädlichem oder Abträglichem Abstand nehmen zu können. Es gibt nicht viele deutsche Namen, die eine solche seelischgeistige Vielseitigkeit entfalten, und wenn wir heute auch nicht mehr mit Sicherheit sagen können, was sich etwa die Zeitgenossen der fränkischen Konradiner (deren einer im Jahr 911 als Konrad I. den Kaiserthron bestieg), unter dem Namen Konrad gedacht haben, so ist doch zweifellos, daß allenthalben im deutschen Bewußtsein noch etwas von dem Reichtum der mitgeteilten alten Bedeutung mitschwang. Die Formen Conzelmann, Konzelmann, Cunzelmann, Kunzelmann sind voneinander zu trennen. Die Schreibungen mit C sind willkürlich. Das wird ja auch aus dem Umstand ersichtlich, daß z. B. Ebingen und Truchtelfingen ausschließlich Konzelmann, Tailfmgen dagegen nur Conzelmann hat. Die Formen Konzelmann/Conzel-mann (mit o) sind die moderneren und entsprechen der zur Vorherrschaft gelangten Namensform Konrad.
Die Schreibungen mit u (Cunzelmann/Kunzelmann) haben altertümnliche Prägung, insoferne bei uns in der namengebenden Zeit die Form kunrat, Chuonrat galt (vgl. das Übergewicht der Kühn, Kuon gegenüber den Kohn). Und wie nun neben dem Hanselmann, Heinzelmann auch die Hansmann, Heinzmann stehen, so zweigen überall neben den Kunzelmann/Konzelmann auch die Kunzmann. Der Grund der Differenzierung der zu Sippennamen gewordenen Vornamen liegt meist in dem Umstand, daß Vater und Sohn denselben Vornamen haben. Der Name des Sohnes wird dann in der Regel verkoßt, d. h. wenn der Vater Konrad hieß, so lief der Sohn als Kunz. Wenn der Vater Kunz hieß, so nannte man den Junior Künzle, Kienzel. Wo schon der Vater Künzle war, wurde der Sohn ein Kunzelmann. Diese ganze Art der Namensgebung ist spezifisch oberdeutsch, im besonderen alemannisch-schwäbisch. In diesem Räume ballten sich auch die Träger dieser Sippennamen zusammen, d. h. sie werden schon im Fränkischen spärlicher und nehmen dann gegen Mittel- und Norddeutschland hin reißend ab. Einzelheiten ergeben sich aus der beigefügten Namenstatistik, die allerdings nur auf den schwäbischen Raum näher eingeht. Die Schreibungen mit u (Cunzelmann/Kunzelmann) haben altertümnliche Prägung, insoferne bei uns in der namengebenden Zeit die Form kunrat, Chuonrat galt (vgl. das Übergewicht der Kühn, Kuon gegenüber den Kohn). Und wie nun neben dem Hanselmann, Heinzelmann auch die Hansmann, Heinzmann stehen, so zweigen überall neben den Kunzelmann/Konzelmann auch die Kunzmann.
Wenn die Frage aufgeworfen wird, ob man denn auch ganz gewiß weiß, daß der Conzelmann oder Kunzelmann ein Konrad ist, so läßt man am besten Urkunden sprechen. 1292 ist am Oberrhein ein Kuenzelmann von Ufflieim (im Oberelsaß), der 1294 Conrat de U/heim, 1299 wieder Chunzelmann von Uflieim heißt. In den Belegreihen sind sodann die Beispiele auffallend zahlreich, daß ein Kunzelmann den Vornamen Konrat oder Kunz hat. Dieser Umstand zeigt uns dann, daß in dem betreffenden Geschlecht der Name Konrat seit alters Leitname ist, so daß er als Vorname vielfach auch dann noch beibehalten oder bevorzugt wird, nachdem längst die Kurz- und Koseform dieses Vornamens (also Kunzelmann) Sippenname geworden ist.
Endlich sei noch bemerkt, daß die Schreibungen mit o (Conzelmann/Konzelmann) die jüngeren sind. Solange das u in altem Kuonrat noch stark artikuliert wurde, mußten die Koseformen natürlich Ku(o)nz, Kunzmann, Kunzelmann lauten. Daß sich die Conzelmann/Konzelmann auf der Ebinger Alb so auffällig zusammenballen (Ebingen mit 34 Konzelmann, Truchtelfingen mit 41 Konzelmann, Tailfingen mit 231 Conzelmann, Onstmettingen mit 22 Conzelmann), kann kaum einen ändern Grund haben, als daß dort einige außerordentlich lebenstüchtige Sippen ansässig blieben und sich nur in der nächsten Nähe ausbreiteten. Einen geschichtlichen Grund könnte ich wenigstens nicht finden, denn in alter Zeit sind dort die Kunzelmann nicht zahlreicher als anderwärts.
Schließlich sei noch bemerkt, daß sich auch für die Conzelmann in alten Urkunden notwendig die Form Kunzelmann einstellen muß. Die Festlegung auf die Schreibung Conzelmann dürfte in das 15. Jahrhundert fallen.